Das Jahr 2020 hat uns viel über unser Zusammenleben gezeigt; nicht nur durch die anhaltende Pandemie. Immer wieder wurden wir Zeug*innen der Gewalt, die Menschen sich antun. Der rassistische Anschlag in Hanau, das homophobe Messerattentat in Dresden, die islamistischen Terrorakte in Frankreich waren traurige Beispiele der Schattenseiten eines Jahres, in dem die Solidarität allerorts ausgerufen wurde. Und sie haben eine Gemeinsamkeit: einen männlichen Täter. Klaus Theweleit hat sich durch seine bahnbrechenden Analysen von Gewalt und Männlichkeit einen Namen gemacht. Den Grund von Gewalt sieht er in der Konstitution des Körpers durch Beziehungen:
Fallen diese Verbindungen jedoch weg, bricht auch der Körper auseinander und es kommt zum Gewaltausbruch. „Jemand soll verschwinden. Sie wollen töten. Und jemand muss als Rechtfertigungsmacht da sein. Wenn sie es einzeln machen, ist es »Terrorismus«. Heutige Attentäter machen das notgedrungen überwiegend alleine; da sie keine SS oder SA oder keinen militärischen Verband haben, in dessen Rahmen sie agieren können. Sie machen es inzwischen allerdings nicht mehr ganz alleine, weil sie über das Internet ein weltweites Auditorium haben und Zustimmung ernten. Damit verfügen sie über so etwas wie ein imaginäres, großes Heer, als dessen Teil sie sich fühlen können. Ob ihre oberste Instanz, die ihnen das »erlaubt«, dabei ein faschistischer »Führer« ist oder »Allah« oder der »Christengott«, ist austauschbar; ist relativ egal. Sie wollen eine Tötungserlaubnis.“
Zum Interview