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Kinderarmut endlich beenden! Worauf warten wir eigentlich?

Von: Valentin Persau

 

Das Armutsrisiko von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen liegt über dem Durchschnitt. In jedem fünften Kinderzimmer spielt hierzulande die Armut mit. Damit werden Kindern legitime Ansprüche auf ein gutes Aufwachsen sowie die Anerkennung seiner existenziellen Bedarfe verwehrt.

Das Armutsrisiko von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen liegt über dem Durchschnitt. In jedem fünften Kinderzimmer spielt hierzulande die Armut mit. Damit werden jedem fünften Kind legitime Ansprüche auf ein gutes Aufwachsen sowie die Anerkennung seiner existenziellen Bedarfe verwehrt. Außerdem legt die Gesellschaft Steine in den weiteren Lebensweg und schränkt die Zukunftschancen massiv ein. Für viele betroffene Kinder ist Armut keine punktuelle Erfahrung, sondern verfestigt sich im Zeitverlauf. Armut muss als zentrales Entwicklungsrisiko betrachtet werden, denn die alltägliche Armutserfahrung und –bewältigung bindet Ressourcen, die dann bei der Bewältigung altersspezifischer Entwicklungsaufgaben, z.B. bei Bindung und Bildung, fehlen. Aus eigener Forschung wissen wir, dass sich Kinderarmut allzu häufig im jungen Erwachsenenalter fortsetzt und sich negativ auf sämtliche Lebenslagen auswirkt.¹ Im jungen Erwachsenenalter beobachten wir dann das höchste Armutsrisiko unter allen Altersgruppen.

Die oben benannten Befunde sind nicht neu. Gleichzeitig gelingt es im bestehenden sozial- und familienpolitischen Leistungssystem nicht, das hohe Niveau der Kinderarmut abzubauen. Wir sehen einen sozial ungerechten Familienlastenausgleich, der die Kinder wohlhabender und reicher Eltern über das Steuerrecht am stärksten entlastet. Damit wird Geld an falscher Stelle allokiert und fehlt für arme Familien. Die Leistungen, die armen Familien zur Verfügung stehen, sind indes nicht armutsfest. Als bedürftigkeitsgeprüfte Antragsleistungen sind sie zudem häufig zu bürokratisch ausgestaltet und weisen daher eine hohe Nichtinanspruchnahme auf. Auch wenn das Problem politisch erkannt wurde und in dieser Legislaturperiode wichtige Stellschrauben gedreht wurde: Es fehlt der große Wurf!

Die AWO fordert daher, dass der wirksame Abbau von Kinderarmut in der nächsten Legislaturperiode Priorität hat. Was es dafür grundsätzlich braucht, ist eine stärker präventive Ausrichtung – einen Paradigmenwechsel, der Armut im Vorhinein verhindert, statt ausschließlich an individuellen Armutssymptomen herumzudoktern, die das strukturelle Problem nicht lösen. Wir wissen: Wenn wir jetzt nicht investieren und eine umfassende Strategie der Armutsprävention aufsetzen, wird es später um ein Vielfaches teurer und aufwendiger, um mit den Armutsfolgen umzugehen. Gerade in Zeiten von Corona sind arme Kinder noch einmal in besonderem Maße mehrbelastet und auf Unterstützung angewiesen.  

Ein zentraler Baustein einer Gesamtstrategie ist dabei die Kindergrundsicherung.² Wir wollen mit einer steigenden Anzahl an Organisationen im Bündnis Kindergrundsicherung  eine eigenständige sozial gerechte Leistung schaffen, mit der bestehende, kindbezogene Leistungen gebündelt werden und jedem Kind unbürokratisch und möglichst automatisch einkommensabhängig ausgezahlt wird. Damit kommt das meiste Geld da an, wo es wirklich gebraucht wird: Bei den Kindern, die Armut erfahren und nicht wie jetzt bei den Wohlhabendsten. Die Idee der Kindergrundsicherung wird immer beliebter und politisch immer stärker unterstützt. Sie muss im nächsten Koalitionsvertrag aufgegriffen werden! Darauf abgestimmt, müssen wir die soziale Infrastruktur und Angebote für Kinder und Familien vor Ort ausbauen und mehr Bildungsgerechtigkeit schaffen. Denn noch immer ist die soziale Herkunft eng mit den Zukunftschancen der Kinder verknüpft. Zudem müssen wir die materielle Situation der Familien insgesamt verbessern. Durch Arbeit, die verlässlich vor Armut schützt, durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mehr soziale Sicherheit und Unterstützung bei sozialen Problemlagen.Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Die Mittel sind vorhanden, das Problembewusstsein ist groß und die Konzepte liegen auf dem Tisch. Worauf warten wir eigentlich?  

Quellen und Links

Weiteres zur Bundestagswahl

Die AWO begleitet die 12 Wochen bis zur Wahl unter dem Motto „Deutschland, Du kannst das!“ mit sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen an die kommende Bundesregierung. Dieser Artikel wurde im Rahmen der Themenwoche „Kinderarmut beenden“ veröffentlicht. Mehr dazu unter: https://awo.org/bundestagswahl-2021

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