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Das Konjunkturpaket – gut investiertes Geld

Von: Valentin Persau

 

Die Bundesregierung hat Anfang Juni ein kurzfristiges Konjunktur- und Krisen-bewältigungspaket sowie ein langfristiges Zukunftspaket im Umfang von insgesamt 130 Milliarden Euro beschlossen und reagierte damit kraftvoll auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronakrise. Dieser Beitrag gibt einen komprimierten Überblick über die Maßnahmen. Eine ausführliche Bewertung ist der Stellungnahme der AWO zu entnehmen. 

Am vergangenen Freitag wurden einige der Gesetzentwürfe, mit denen Teile des Konjunkturpaketes umgesetzt werden sollen, nach vorheriger Verabschiedung durch den Deutschen Bundestag dem Bundesrat vorgelegt, so ein Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2020, ein Gesetz über begleitende Maßnahmen zur Umsetzung des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets, ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 104a und 143h) und ein Gesetz zur finanziellen Entlastung der Kommunen und der neuen Länder. Andere Teile des Konjunkturpaketes werden nicht auf gesetzgeberischem Wege, sondern durch Bundesprogramme umgesetzt, wie zum Beispiel die Überbrückungshilfen für klein- und mittelständische Unternehmen. 

Die Arbeiterwohlfahrt hatte bereits zu den Eckpunkten Stellung genommen und das Konjunkturpaket als großen Wurf begrüßt. Es zeige deutlich politischen Gestaltungswillen und sei ein kraftvolles Signal für die Stärkung der Binnennachfrage, kommentierte der Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes, Wolfgang Stadler https://www.awo.org/awo-zum-konjunkturpaket-grosser-wurf-aber-staerker-… Gleichwohl bleiben im Konjunkturpaket sozial- und familienpolitische Punkte offen. Anlass zur Sorge bereiten zudem Signale, die auf mittelfristige kommunale Leistungskürzungen hindeuten. Zu den Maßnahmen im Einzelnen:

Mehrwertsteuersenkung

Seit dem 1. Juli gelten befristet bis zum Jahresende reduzierte Mehrwertsteuersätze von 16 % bzw. 5 % statt 19% bzw. 7%. Damit sollen die Verbraucher*innen entlastet werden. Insgesamt wirkt die Entlastung überproportional bei Haushalten mit geringeren
Einkommen. Der Effekt dürfte auch Corona bedingten Preissteigerungen bei bestimmten Grundnahrungsmitteln ein Stück weit entgegenwirken, die derzeit arme Menschen besonders belasten. Da jedoch die Entlastungen auch bessergestellten Menschen zu Gute kommen, die sie nicht brauchen, ist eine Mehrwertsteuer mit hohen Kosten bzw. Einnahmeausfällen für den Staatshaushalt verbunden. Unklar ist zudem, ob die Unternehmen die Steuersenkung an die Verbraucher*innen weitergeben.

Grundsicherung und Arbeitsmarkt

Die Regelung zum vereinfachten Zugang zu Grundsicherungsleistungen wurden bis zum 30. September verlängert. In dieser Zeit wird auch auf umfangreiche Bedürftigkeitsprüfungen verzichtet. Angesichts der hohen wirtschaftlichen Unsicherheit, Einkommensverlusten sowie drohender Arbeitslosigkeit ist es wichtig, dass allen Menschen, die sie brauchen, eine wirksame und leicht zugängliche Grundsicherung zur Verfügung steht. Dieser Schritt ist auch deshalb wichtig, weil längst nicht alle Arbeitnehmer*innen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung wie das Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld I haben, sondern bei Arbeitslosigkeit direkt auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind. Etwa jede*r fünfte vormals sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hatte 2017 im Falle von Arbeitslosigkeit nicht die notwendigen Anwartschaftszeiten für Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Hinzu kommen viele prekär und atypisch Beschäftigte, die zugleich das höchste Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen und dabei außerhalb des Schutzbereichs der Arbeitslosenversicherung stehen. 

Eine weitreichende und vielversprechende Regelung, die das Gesetzgebungsverfahren noch nicht endgültig passiert hat, ist zudem die dauerhafte Übernahme eines höheren Anteils der Kosten für die Leistungen der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II durch den Bund. Dadurch werden Kommunen bei einer großen Ausgabeposition entlastet und verschaffen sich hoffentlich die finanzielle Handlungsfähigkeit, um die soziale Infrastruktur in der Folgezeit der Krise zu erhalten und weiter zu stärken.  

Die AWO hält darüber hinaus eine pauschale und befristete Erhöhung des Regelsatzes für unverzichtbar. Denn Corona bedingte Mehrkosten, etwa bei Grundnahrungsmitteln (vgl. „Chili-Con-Carne-Index“), Hygieneartikel oder für digitale Endgeräte und Kommunikation sind im Regelsatz nicht hinreichend abgebildet und gehen über die Möglichkeiten des internen Ausgleichs hinaus. 

Familienpolitik

Mit der Schließung der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen hat Corona das Familienleben von heute auf morgen verändert und vielfach zu massiven Vereinbarkeitsproblemen geführt. Eine Dynamik der Retraditionalisierung bedroht dabei auch geschlechterpolitische Fortschritte. Insbesondere Familien in der Grundsicherung und ihre Kinder standen lange nicht im Fokus der Politik. Mit dem Kinderbonus wurde nun eine pauschale Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro für jedes kindergeldberechtigte Kind beschlossen. Die Zahlung soll einerseits mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet und andererseits nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden. Der Kinderbonus wird Familien kurzfristig finanziell entlasten. Wichtig sind jedoch weitere Mittel und Maßnahmen, um die finanzielle Situation armutsgefährdeter und -betroffener Familien und Kinder langfristig zu stabilisieren.  

Mit der Verdopplung des steuerlichen Entlastungsbetrages auf 4000 Euro in den Jahren 2020 und 2021 kommt zudem Alleinerziehenden, die tagtäglich – und in der Corona-Krise in besonderer Weise – Belastungen ausgesetzt sind, eine deutlich höhere Unterstützung zu. 

Programme zum Ausbau der sozialen und ökologischen Infrastruktur und zur Stabilisierung gemeinnütziger Organisationen

Ein Investitionsprogramm soll den Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagesbetreuung zu beschleunigen. Wenn Länder Mittel in den Jahren 2020 und 2021 abrufen, erhalten sie die entsprechende Summe in den späteren Jahren der Laufzeit zusätzlich. Außerdem wird der Katalog der förderfähigen Investitionen im Digitalpakt Schule erweitert und die Ausbildung und Finanzierung von Administratoren pauschal durch den Bund unterstützt, wenn die Länder im Gegenzug die digitale Weiterbildung der Lehrkräfte verstärken.

Für Ausbaumaßnahmen an Kindertageseinrichtungen, die in den Jahren 2020 und 2021 stattfinden, stellt die Bundesregierung außerdem eine Milliarde Euro bereitzustellen. Ziel ist es, den Kapazitätsausbau zu fördern und Erweiterungen, Um- und Neubauten zu fördern. Die Mittel können auch für Umbaumaßnahmen eingesetzt werden, die der Verbesserung der Hygienesituation dienen.

Im Programm „Sozial & Mobil“ ist vorgesehen, dass in den Jahren 2020 und
2021ein befristetes Flottenaustauschprogramm aufgelegt wird, durch welches E-Mobilität
im Stadtverkehr zu fördern und gemeinnützige Träger bei der Flottenumrüstung
zu unterstützen. Es ist ein Finanzvolumen von 200 Mio. Euro vorgesehen.

Der Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur soll beschleunigt werden. Hierfür sollen u.a.
mehr öffentlich zugängliche Ladepunkte entstehen, wobei Kitas, Krankenhäuser,
Stadteilzentren oder auch Sportplätze als beispielhafte Standorte genannt werden.

Es soll zudem ein Programm zur Förderung von Maßnahmen zur Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen aufgelegt werden. Eine CO2-arme und den neuen klimatischen Bedingungen angepasste Infrastruktur muss in der Sozialen Arbeit Standard werden. Förderprogramme wie dieses sollten daher nach ihrem Auslaufen evaluiert und anschließend schnellstmöglich in eine Regelfinanzierung übertragen werden.

Zur Stabilisierung gemeinnütziger Organisationen will der Bund für die Jahre 2020
und 2021 ein Kredit-Sonderprogramm über die KfW in Höhe von einer Milliarde Euro
aufstellen. Ein Kredit-Sonderprogramm stellt aus Sicht der AWO eine wichtige
Ergänzung für den unbedingt notwendigen Rettungsschirm für die Sozialwirtschaft
dar. Es muss allerdings sichergestellt werden, dass auch hier der Zugang zu
dem Programm nicht auf bestimmte gemeinnützige Organisationen begrenzt wird.

Fazit

Mit dem Konjunkturpaket wurden beispiellos umfangreiche Maßnahmen getroffen,
um die Wirtschaft zu stärken, Kommunen zu entlasten, soziale Härten zu adressieren
und Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Die verabschiedeten Regelungen müssen nun zügig umgesetzt werden. Die Krise zeigt, welch hohe Bedeutung ein verlässlicher Sozialstaat und eine wirksame soziale Daseinsvorsorge hat. Gleichzeitig zeigt sich, welch vermeintliche Selbstverständlichkeiten verloren gehen, wenn soziale Rechtsansprüche durch Schließungen temporär nicht eingelöst werden können. Um die soziale Infrastruktur in Ihrer Vielfalt und Qualität auch in Zukunft zu erhalten und auszubauen, sind daher über die konjunkturellen Impulse hinaus dauerhafte Investitionen notwendig. 

Link zur ausführlichen Stellungnahme:

https://www.awo.org/sites/default/files/2020-06/Stellungnahme_AWO_Konju… 

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